Ein paar Worte zum Umgang mit Trauernden
Der aktuelle Ausnahmezustand der Coronavirus-Pandemie, in dem wir uns alle befinden, der auferzwungene Stillstand des öffentlichen Lebens, bietet eine gute Gelegenheit zum Rückblick auf bessere Zeiten, um daraus die nötige Hoffnung und Kraft für eine schwierige Zukunft zu schöpfen, die nur gemeinsam bewältigt werden kann.
Räumlich Abstand voneinander halten, das ist das Gebot der Stunde. Social Distancing hingegen – was für ein Unwort – ist das letzte, was wir jetzt benötigen. Räumliche Distanz einzuhalten bedeutet nicht, dass der Kontakt zu den Mitmenschen abgebrochen werden soll, wie es dieser schlecht gewählte Anglizismus suggeriert. Die behördlich aufgezwungene Isolation ist schlimm genug. Ganz im Gegenteil sind wir alle in schweren Zeiten besonders auf gegenseitige Zuwendung angewiesen.
Mir ist in den letzten Wochen klar geworden, dass der Umgang mit Trauernden nicht einfach ist. In Anbetracht des Unfassbaren fehlen die richtigen Worte. Unsicherheit, Angst und Hilflosigkeit verhindern den ungezwungenen Austausch zwischen denen, die das Schicksal per Zufall heimgesucht hat und denen, die ihm per Zufall entronnen sind. Am liebsten geht man dieser unangenehmen Situation und der Konfrontation mit eigener Hilflosigkeit aus dem Weg, was aktuell in Zeiten des verordneten Abstandhaltens besonders einfach ist. In den nächsten Tagen und Wochen werden noch sehr viel mehr Menschen harte Schicksalsschläge einstecken und verarbeiten müssen.
Jeder Trauernde, jeder Trauerprozess, jeder Umgang mit einem Verlust ist anders und hochindividuell, weil sehr viele Faktoren das Ausmass der Trauer und deren Verarbeitung beeinflussen. Starke und unberechenbare Stimmungsschwankungen sind die Regel, nicht die Ausnahme. Was gestern gut tat, ist heute eine Last. Letztendlich weiss nur die trauernde Person, was ihr zu einem gegebenen Zeitpunkt gut tut und was nicht und manchmal merkt sie es erst im Nachhinein.
Am hilfreichsten ist es wohl, die trauernde Person ab und zu nach ihrem aktuellen Befinden und ihren Bedürfnissen zu fragen ohne enttäuscht zu sein, wenn die angebotene Hilfe oder das Beziehungsangebot für den Moment zurückgewiesen wird. Das kann sich schon bald wieder ändern genauso wie die Stimmungslage der Betroffenen. Solche kurzen Zuwendungen können sehr hilfreich sein für die erfolgreiche Bewältigung der nächsten paar Stunden oder Tage und geben Zuversicht, dass bessere Zeiten wieder möglich sind.
Mir hat in den letzten Tagen und Wochen gefehlt, dass kaum jemand es wagte, in meiner Anwesenheit über Didi zu sprechen aus falscher Angst, mich an eine Tatsache zu erinnern, die mir in jeder Sekunde seit seinem Tod voll bewusst ist. Zu sehen, dass auch andere ab und zu an ihn denken, würde mich deshalb nicht erschrecken, sondern vielmehr freuen. Die schönsten Erinnerungen, sind geteilte Erinnerungen. Didi hat es nicht verdient, totgeschwiegen zu werden. Auch nicht in einer Zeit, wo sich die Gedanken bei den meisten nur noch um ein einziges Thema drehen und die Konfrontation mit der Angst vor dem eigenen Tod oder dem Tod der nächsten Angehörigen Handeln und Denken wesentlich mitbestimmt.
Ich wünsche mir, dass der Bilderreigen mit den schönsten Aufnahmen von Didi Euch eine gute Gelegenheit bietet, den Fokus für eine kurze Zeit wieder einmal auf etwas anderes zu richten: auf die Erinnerung an einen lieben Menschen, ein Vorbild im Umgang mit desolaten Situationen, der es keinesfalls verdient hat, schon bald vergessen zu gehen.
Und ja: ich habe genug Notvorrat. Didi hat vorgesorgt und in weiser Voraussicht zu einem Zeitpunkt gehamstert, als das Toilettenpapier in den Läden noch nicht alle war.
Nutzt die behördlich verordneten Mussestunden zur Reflexion von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft! Selten war die Gelegenheit so günstig, angespornt durch die unsichere Lage, die auferzwungene Unfreiheit, die einem Teil von uns auferzwungene Freizeit, das eigene Leben aus einer ganz neuen Perspektive zu betrachten und daraus Schlüsse für die gute Lebensführung zu ziehen.